Hotelarchitektur, gutes Design & Swissness

MAp meets Karsten Schmidt-Hoensdorf

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Nachhaltigkeit im Hotel: Unsere RoadMAp
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Heute treffen wir Karsten Schmidt-Hoensdorf, Gründer und kreativer Kopf des Zürcher Architekturbüros IDA14. Mit Fokus auf die Bereiche Hospitality und Corporate Identity designt und entwickelt Karsten mit seinem Team Produkte und setzt Projekte in allen klassischen Bereichen der Innenarchitektur im In- und Ausland um. Wir sind gespannt unter anderem mehr über die aktuellen IDA14 Projekte, seine Einschätzung zur Schweizer Hotellerie und zu Qualität im Design zu erfahren.

Lieber Karsten, könntest du unseren Lesern kurz erzählen, was dich nach deinem Studium der Geschichte und Politikwissenschaften zur Innenarchitektur gebracht hat?

Bereits als Kind wurde ich durch meine Mutter mit Kunst vertraut und habe diese Nähe zu Kunst und Design immer gesucht und geschätzt, selber auch gemalt und mich an Skulpturen gefordert... Mit Ende Zwanzig wurde mir klar, dass ich mich mit meinem Geschichts- und Politikstudium auf eine spannende Materie eingelassen hatte, die aber als Berufsweg sehr trocken und im angestrebten Journalismus auch sehr flüchtig war. Architektur und Innenarchitektur erschienen mir geerdet und kreativ, die Resultate der Arbeit langlebig. Das war meine Motivation spät ein zweites selbstverdientes Studium durchzuziehen. In der Praxis haben sich meine optimistischen Annahmen zum Glück voll bestätigt.

Woran erkennt man gutes Design und gibt es deiner Ansicht nach Qualitätskriterien, um dieses zu beurteilen?

Ja, gutes Design ist kein Zufallsprodukt und es gibt klare Kriterien. Ein weites Thema, hier ein paar spontane Aspekte. Gutes Design...

  • sieht nicht nur gut aus sondern funktioniert auch perfekt: Es löst im besten Fall ein Problem oder bietet einen neuen intelligenten Ansatz für ein Problem.
  • dient dem Menschen: Dieser Punkt beschäftigt mich beim Bearbeiten meiner Projekte im Bereich Alterswohnen und aktuell bei der Renovation einer Kurklinik, die zur Rehabilitation vorwiegend älterer, frisch operierter Menschen dient.
  • ist umweltfreundlich und nachhaltig und wird unter nachvollziehbar menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt
  • enthält nichts Überflüssiges. Es transferiert neue Erkenntnisse und neue Technik in eine gute Form, siehe Apple Produkte.
  • ist originell, also ein Original. Oft werden Design und Stil verwechselt: Es gibt meines Erachtens keine schlechten Stile, aber einen Haufen schlechtes Design. Mainstream und Gefälligkeit sind keine gute Gestaltung sondern meist Kitsch oder Trash. Kitsch und Trash können als Mittel in der Kunst eingesetzt werden, wie zum Beispiel bei Jeff Koons zu sehen, sind aber nie für sich genommen gutes Design.

Für euer Projekt Boutique Hotel Marktgasse in Zürich hat IDA14 im Rahmen der 9. AIT Plattform Hotel Architektur den Hotel Application Award 2016 in der Kategorie „Best Hotel Concept“ gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Was ist das Besondere an diesem Projekt?

Das Grundkonzept stammt von der Agentur Kessler und Kessler und dem Betreiber Molino, wir haben die Innenarchitektur weiterentwickelt und umgesetzt. Zunächst ist das Gebäude aus dem 13. Jahrhundert mit seiner gut dokumentierten und reichen Geschichte als erstes Gasthaus am Platz ein Fundus an Geschichten und auch Baudetails. Der Investor Beat Curti versteht die Erhaltung und Belebung der Zürcher Altstadt als Kulturauftrag und hat großzügig investiert: Wir konnten aus dem Vollen schöpfen, haben einfache aber echte Materialien verwendet und handwerkliche Details entwickelt, wie sie heute selten zu sehen sind. Jede Ecke dieses Gebäude ist anders und oft überraschend -und Ecken hat das Haus viele. Das Hotelkonzept und seine Gastronomie sind sehr durchdacht, sehr sorgfältig ausgearbeitet. Das Design ist dem mittelalterlichen Charakter entsprechend teils fast karg und einfach, aber dennoch stylisch und modern. Kleine liebenswürdige Details wie die Trinkbrunnen auf jedem Stockwerk oder die individuelle Möbelauswahl in den einzelnen Zimmern überraschen den Gast.

Wie steht es deiner Meinung nach um die „Swissness“ und Erlebnisqualität der Schweizer Hotels?

Swissness genießt hohe Wertschätzung in der Welt. Das durfte ich erleben, als ich mehrere Jahre als Berater und Director Interior Design für Swissôtel weltweit das Design neuer oder renovationsbedürftiger Hotelprojekte begleitete. Werte wie „es funktioniert“, hohe Qualität, Zuverlässigkeit, werden der Schweiz zugeschrieben.

Im Design hat das nichts mit Alpenkitsch zu tun, mit der manche ausländische Hotelkette, die jetzt in die Schweiz kommt, die Swissness verwechselt. Swissness in der Gestaltung sind für mich Werte wie Gradlinigkeit, Materialechtheit, Funktionalität und Zuverlässigkeit, perfekte handwerkliche Details und Ausführungen. Solche und ähnliche, verwandte Werte gelten genauso für den Service oder die Gastronomie.

Oft werden Design und Stil verwechselt: Es gibt meines Erachtens keine schlechten Stile,
aber einen Haufen schlechtes Design.
via @weareMApeople


Was sind die größten Herausforderungen, mit denen die Schweizer Hoteliers in den nächsten Jahren konfrontiert werden?

Die Herausforderungen für die Hotellerie sind groß, die Berghotellerie hat da wahrscheinlich noch mehr zu leisten als die städtische. Ob Frankenstärke und hohes Preisniveau, Klimawandel der zu Schneemangel in niedrigen Lagen führt, kleine renovationsbedürftige Hotelbetriebe ohne Rücklagen, der Klagen und Gründe sind viele.
Aber es gibt eben auch viele erfolgreiche und tolle Hotels, in der Stadt und auf dem Land.

Swissness muss meines Erachtens mit seinen Werten in einem Schweizer Hotel gelebt und dem Gast vermittelt werden. Dann sehe ich auch die Chance zum Erfolg und die Chance, für wirklich gute Qualität auch einen entsprechenden Preis zu verlangen. Qualität ist für mich der Schlüssel. Ich meine im Tourismus einen Trend zu spüren, das Glück nicht mehr nur in der Ferne und im Billigen zu suchen, sondern die exklusiven Werte einer tollen Natur und hoher Gastfreundschaft  zu schätzen und auch zu honorieren. Mir sagte vor kurzem ein bekannter Schweizer Berg-Hotelier, er habe nicht nur durch Fleiß Erfolg, Glück habe er auch gehabt und manchmal sei die ungünstige Struktur eines Hotels einfach beim besten Willen und mit größtem Fleiß nicht erfolgreich zu managen.

Die Experten sind sich nach meinem Verständnis einig, dass ein großer Teil der Schweizer Hotelbetriebe – bis zu 40% – in den nächsten Jahren zumachen wird, sei es beispielsweise wegen einer Nachfolgeproblematik, zu kleiner Betriebsgröße oder fehlender Rückstellungen für notwendige Renovationen. Dennoch glaube ich an eine starke Zukunft der Schweizer Hotellerie. Die größte Gefahr sehe ich tatsächlich im Aufgeben oder nicht Wertschätzen der Swissness, so wie ich sie jedenfalls sehe.

Der Einklang von Ökologie und Design sowie Nachhaltigkeit stehen bei deinen Projekten im Mittelpunkt. Was macht die perfekte Balance aus und welche Hotels in der Schweiz bzw. international haben diese Balance aus deiner Sicht am besten gemeistert?

International hat mich was den Einklang von Ökologie und Design angeht, das Vigilius Mountain Resort in Südtirol begeistert! Seit dreizehn Jahren bewähren sich dort die konsequent eingesetzten regionalen Baumaterialien, also Lärchenholz, Naturstein und Lehm für Wände und Putze. Ich war sehr überrascht, als ich das realisierte. Und das Team lebt sehr intensiv dieses nachhaltige Denken, sucht sich immer neue Herausforderungen mit Ökozertifizierungen und anderen selbstgesteckten Zielen.

Beeindruckt hat mich aber beispielsweise auch die Hotellerie auf den Malediven, jedenfalls in dem Resort, das ich besuchte: Hohe Ansprüche an regenerative Energie, Korallenschutz und Wiederaufbau, Schulungen und Veranstaltungen für MitarbeiterInnen und Gäste zum besseren Verständnis der Natur und der lokalen Probleme. Für Swissôtel betreute ich zwei große Hotelprojekte in Indien, die wir offen gesagt auf unsere westliche Art planten. Auf einer längeren privaten Reise durch den Süden des Landes buchte ich bewusst kleine und mittelgroße Hotels in indischem Familienbesitz. Ich war sehr erstaunt und erfreut zu erleben, wie gründlich hier Ökologie gelebt wurde, alle bekannten Möglichkeiten von Ressourcenschutz, eigener Wasser- und Energiegewinnung und Gärtnerei genutzt wurden.

In der Schweiz haben die Einhaltung von Ökostandards und guten Arbeitsbedingungen einen hohen Stellenwert. Ich erlebe einen positiven Trend zu Holzarchitektur, die speziell in der Hotellerie Sinn macht: Kosten mittlerweile 1:1 zu konventionellem Bauen, kurze Bauzeit, bauen weder Lärm- noch Schmutzintensiv, später leichtes Anpassen der Strukturen etc. Der Gast, aber auch die MitarbeiterInnen  werden die sympathische ökologische Komponente des Holzbaus je länger je mehr schätzen. Und: Die Ressource Holz wächst jedes Jahr nach, wir nutzen davon heute nur 50%. Es macht mir und meinem Team große Freude, auch selber an solchen Projekten mitzuarbeiten.

An welchen Projekten arbeitest du mit deinem IDA14 Team aktuell? Welche Themen beschäftigen euch?

Wir bearbeiten zwei Hotelprojekte im 3 und 4* Bereich. Außerdem, wie so oft und parallel einen eingeladenen Wettbewerb: Das machen wir gerne, fordert uns, bringt uns weiter, selbst wenn wir nicht gewinnen – was wir natürlich am Liebsten tun.

Wir bearbeiten in Etappen die Renovation einer größeren Kurklinik in historischem Gebäude in Schinznach Bad und einen denkmalgeschützten Gebäudeteil eines historischen Hotels in Ennetbaden: Hier entstehen ein Restaurant in einem mit Freskenmalereien ausgestatteten zweigeschossigem Saal und angrenzender Lounge mit Fumoir. Des Weiteren halten mich spannende Beratungsanfragen auf Trapp und auch Artikel, die ich für das Hotelier Magazin schreibe.

Als MA people kreieren wir innovative Hotelkonzepte und -marken: was macht für dich ein innovatives Hotelkonzept aus?

Wenn ich unter: „Was ist Innovation?“ im schlauen Google nachschlage, erscheinen viele Definitionen: „der Vorgang, dass durch Anwendung neuer Verfahren und die Einführung neuer Techniken ein Bereich erneuert und auf den neuesten Stand gebracht wird“. Und: „Zur Qualität des Lebens beitragen“.
Ein innovatives Hotelkonzept beinhaltet für mich viele der oben genannten Aspekte zum Thema gutes Design. Eine innovative neue oder wiederbelebte Marke muss einzigartig sein, ein unverwechselbares, charakterstarkes, charismatisches Original.

Innovation muss immer eine Verbesserung des bisherigen üblichen Zustands oder Vorgehens beinhalten. Das bedeutet meines Erachtens für Euch kreative Innovatoren von MA people: Über den Tellerrand hinaus die Branche studieren, Querdenken, Hinterfragen. Gesellschaftliche Veränderungen mit seismischer Präzision wahrnehmen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Dies auf dem Hintergrund  der eigenen großen und internationalen Erfahrung und professionellen Ausbildung, der eine Innovation bei kritischem Hinterfragen standhalten muss. Ein innovatives Konzept in der Hotellerie kann toll und überraschend sein, kann eine Arbeitserleichterung beinhalten, kann neue Gäste ansprechen, kann MitarbeiterInnen motivieren. Und kann den großen Erfolg bringen...

Über Karsten Schmidt-Hoensdorf: Nach seinem Studium der Geschichte und Politikwissenschaften in Toulouse und München wandte er sich der Architektur zu und schloss ein Studium der Innenarchitektur ab. Über Jahre war Karsten als Berater für Hotelentwicklungen und Renovierungen für Swissôtel Hotels & Resorts weltweit in der Position des Director Interior Design verantwortlich und doziert an der IHTTI School of Hotel Management Neuchâtel zu Themen wie: Prozesse in der Design-Entwicklung führen sowie Qualitätskriterien im Design.

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